Wie wohl alle wissen, kann ich mit Kaffee und allen irgendwie
verwandten Produkten so gar nichts anfangen. Trotzdem wäre ein Kolumbienbesuch
unvollständig ohne den Eje Cafetero, die Kaffeezone, gesehen zu haben. Deshalb
war unser nächstes Ziel Salento.
Nach mehrstündiger Busfahrt erreichten wir am frühen
Nachmittag das graue Salento. Ein weiteres Kolonialstädtchen mit gepflasterten
Strasse und einem farbigen Zentralplatz, der durch die Semana Santa noch mit
Essens- und Souvenirständen zugestellt war.
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Strassen von Salento |
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Kirche auf dem zentralen Platz |
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Calle Real: die Hauptstrasse ist überfüllt von Semana Santa Touristen |
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die farbigen Balkone fallen uns als erstes ins Auge |
Um dem Regen zuvorzukommen,
erklommen wir sogleich die Treppenstufen zum Mirador, um den Ort von oben zu
sehen, aber auch das auf der Gegenseite gelegene Tal. Trotz des Regens, der
kaum oben angekommen einsetzte, fanden wir den Ausblick wunderschön. Auch hier
war wieder alles grün, soweit das Auge reicht. Die Hügel in den verschiedensten
Grüntönen waren teilweise nur noch an ihrer Silhouette hinter den Nebelschwaden
zu erkennen. Wir warteten ein wenig mit der Hoffnung, dass der Regen bald
nachlässt, aber wir hatten keine Chance, trockenen Fusses zum Hostel zurückzukommen.
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Aussicht vom Mirador über den Ort |
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das gegenüberliegende Tal versinkt langsam in den Wolken |
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wo es so grün ist muss es wohl viel regnen... |
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leckere Obleas unter dem Regendach |
Bei diesem Wetter war unser Hostelzimmer eher ungemütlich. Heizungen sind hier
ein exotischer Luxus und deshalb kaum anzutreffen. Durch die Feuchtigkeit
fühlten sich die Temperaturen noch einmal unangenehmer an. Unter zwei
Wolldecken gekuschelt konnten wir aber angenehm schlafen.
Ein Muss für jeden Salento-Touristen ist der Besuch des Valle
de Cocora. Schon in Panama hatten wir uns von diesem Ort erzählen lassen und
brachen deshalb voller Elan zu dieser Wanderung auf. In Gummistiefeln, die wir
im Hostel gemietet hatten, stapften wir durch die teilweise sehr morastigen
Pfade. Wir waren eine lustige Truppe: zwei argentinische Paare (ohne Mate-Becher)
und ein deutsches Paar begleiteten uns auf dem Weg durch die wunderschönen
Hügel. Zeitweise kamen wir uns vor wie in der Schweiz mit den vielen Kühen, die
auf den Weiden grasten und nicht einmal abgemagert aussahen.
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in Gummistiefeln bereit für den Transport ins Valle de Cocora |
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hochmotivierte Gruppe vor der Wanderung |
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die ersten Wachspalmen säumen schon am Anfang unseren Weg |
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bei diesem Wetter macht das Wandern besonders Spass |
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wer hat denn dieses Bild aus der Schweiz hereingeschmuggelt?!? |
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violette Farbtupfer lockern das viele Grün auf |
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von den matschigen Strassen lassen wir uns nicht entmutigen... |
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... schliesslich haben wir Gummistiefel! |
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ein Abschnitt führt uns auch durch den Nebelwald... |
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... und zu einem Wasserfall |
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über sieben Brücken musst du gehn... |
Die erste Station war eine Anhöhe,
die wir alle schnaufend erreichten. Dort versorgt ein Bauer die hier ansässigen
Kolibris mit Zuckerwasser, womit er sich eine Touristenattraktion angeschafft
hatte. Für das Eintrittsgeld erhielten wir alle eine Tasse Schokolade,
wahlweise mit einem Stück Käse dazu (der natürlich extra gekostet hätte…),
leider mit Wasser angerührt. Wir verwöhnten Schweizer (und Italiener) konnten
uns mit dem Schokoladenwasser nicht wirklich anfreunden, Argentinien kam aus
dem schwärmen fast nicht mehr heraus. Naja, Geschmäcker sind ja bekanntlich
verschieden. Lustig anzusehen waren die verschiedenen Kolibriarten, die um die
Wasserstationen herumschwirrten und sich durch die Kameras nicht beirren
liessen.
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die Kolibri-Finca serviert Schokoladenwasser anstatt Ovi |
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eine der verschiedenen Kolibriarten |
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ob Zuckerwasser besser schmeckt als Schoggiwasser?!? |
Gestärkt setzten wir unseren Weg fort. Diese Stärkung hatten
wir auch nötig, schliesslich wartete noch der anstrengendste Teil auf uns, wie
uns Enrique aus dem Hostel versichert hatte. Er sollte Recht behalten. Alle
kamen etwas geschafft am höchsten Punkt an (2‘860 m.ü.M), meine rote Rübe war
aber von niemandem zu übertreffen. (super Veranlagung, gäu Mami!)
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der letzte Teil des Aufstiegs... |
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... bald haben wir es geschafft! |
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phuuu, Erleichterung auf 2'860 m.ü.M. |
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Freudensprünge |
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die Gipfelstürmer brauchen eine Pause |
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neben den Margritli wachsen auch rote Rüben |
Das Highlight sollte aber erst auf dem noch fehlenden
Wegstück auf uns warten, weshalb wir unsere Kräfte wieder mobilisierten und
weitergingen. Als wir endlich beim Tal der berühmten Wachspalmen ankamen,
standen wir alle mit offenen Mündern da. Diese gigantischen, in den Himmel
ragenden Palmen (der Nationalbaum Kolumbiens kann bis zu 70 Meter hoch werden)
in dieser grossen Anzahl zu sehen war – ich finde keine treffendere
Beschreibung – atemberaubend. Wir setzten uns alle erst einmal ins Gras und
konnten dieses Naturwunder kaum glauben, geschweige denn in Worte fassen.
Unzählige Fotos wurden geschossen und erst die drohenden Regenwolken brachten
uns nach einer langen Pause dazu, endlich den Rückweg unter die Füsse zu
nehmen. Obwohl wir schon einiges an beeindruckender Natur gesehen hatten waren
wir fasziniert von der hier erlebten Schönheit. Ein Ort mit einer magischen
Energie, die gemäss Enrique bereits seit langer Zeit viele Menschen in seinen
Bann zieht.
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Blick über das gesamte Tal |
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überall stehen sie... |
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... die dünnstämmigen Wachspalmen... |
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... die den Himmel zu berühren scheinen |
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typisches Haus der Kaffeezone |
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die folgenden Bilder sprechen für sich... |
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unser treuer Reisebegleiter |
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schweren Herzens machen wir uns auf den Rückweg |
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und noch ein letzter Freudensprung |
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Valle de Cocora: ein weiteres Highlight unserer Reise |
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kaum im Pick-up schüttete es aus Kübeln |
Zusammengeschweisst durch dieses schöne Erlebnis trafen wir
uns mit der ganzen Truppe zu einem schönen Essen und lernten uns etwas besser
kennen. Mit dem Paar aus Köln, Judith & Nicolas, konnten wir wieder einmal
sprechen, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Nicolas, frisch gebackener
Journalist und in Liestal zur Welt gekommen, verstand durch seine Basler
Verwandten unser Berndeutsch sehr gut. Judith hingegen arbeitet im sozialen
Bereich und kümmert sich vor allem um Jugendliche mit Flüchtlingshintergrund. Monica
und Jorgé aus Argentinien, beide Ende Fünfzig, sind immer noch sehr
abenteuerlustig und neugierig. Sie hat einen russischen und deutschen
Hintergrund und arbeitet als Kosmetikerin, während er ein Boot besitzt und von
Buenos Aires aus verschiedene Materialtransporte ausführt. Auch er hat deutsche
sowie dänische Wurzeln, nannte ihn doch seine Grossmutter ohne
Spanischkenntnisse „Chorsche“ anstatt „Chorche“. Und zu guter Letzt noch Romina
und Gastón, ebenfalls aus Buenos Aires. Die beiden sind in unserem Alter und
feierten vor kurzem ihren ersten Hochzeitstag. Er ist im Marketing eines
kleinen pharmazeutischen Labors tätig, und sie kümmert sich im Auftrag des
Staates um die Korrektheit der Lotteriespiele.
Mit dem jüngeren argentinischen Paar, Romina und Gastón,
verstanden wir uns besonders gut, weshalb wir uns für den nächsten Morgen
verabredeten, um die nahegelegene Kaffee-Finca zu besuchen. Nach dem Frühstück
zeigten uns die beiden im Internet Videos ihrer riesigen Showgruppe, die für
den argentinischen Karneval,
ähnlich demjenigen in Rio, mit einer wahnsinnigen Vorführung die Zuschauer
begeistern. Die Bilder, die wir von Brasilien im Kopf hatten, wurden in den
Videos wiedergespiegelt: wenig Stoff, schöne Menschen und schwingende Hüften
flimmerten über den Bildschirm – wow! Da sahen wir mit den Videos unserer
Salsa-Tanzgruppe ganz schön unattraktiv und ungelenkig aus.
Fast hätten wir darüber vergessen, dass ja eigentlich die
Finca auf uns wartete. Wir marschierten also bei strahlendem Sonnenschein los,
und verpassten vor lauter Quatschen doch tatsächlich den gesuchten Bauernhof.
Nach einer Extrarunde kamen wir endlich bei Don Elias an, dem legendären Kaffee-Experten
der Gegend. Auf seinem Bauernhof werden noch alle Arbeiten traditionell
ausgeführt: vom organischen Anbau, über die Ernte von Hand bis zum Mahlen der
Kaffeebohnen mit einer manuell betriebenen alten Maschine. Zuerst führte uns
der 75 Jahre alte Elias durch die Kaffeepflanzen und erklärte uns die
verschiedenen Reifestadien der Früchte. Unglaublich wie fit dieser
beeindruckende Mann noch war, der uns allen voran die Treppenstufen hinauf und
hinunter ging und mit seinen junggebliebenen, strahlenden Augen von seiner
Leidenschaft, dem Kaffee der Sorte Arabica, erzählte.
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weitere grüne Hügel auf unserem Weg |
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riesige Farnblätter? neee, gigantische Bambuspflanzen |
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Kaffeeplantage mit einzelnen Bananenstauden |
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die Finca las Brisas... |
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... mit dem legendären Besitzer Don Elias |
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hier riecht es zum Glück noch nicht nach Kaffee |
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der nimmermüde Don Elias |
Und hier für alle, die wie wir bis anhin Kaffeebanausen
waren, etwas zur Theorie: Nachdem die Kaffeefrucht ihre Reife erlangt hat, was
man an der gelben oder roten Farbe erkennt, wird diese geerntet. Die grüne,
glitschige Kaffeebohne wird aus der äusseren Schale befreit und für einen Tag
gelagert, damit sie etwas trocknet. Anschliessend wird diese gewaschen und zum
Trocknen an der Sonne ausgelegt. Nach ca. einer Woche wird die äussere Schale hart
und springt auf, so dass die eigentliche Bohne zum Vorschein kommt. Diese wird
dann über dem Feuer eine Stunde lang geröstet, bis die bekannte dunkelbraune
Farbe entsteht und ein köstliches Aroma aufsteigt. Nachdem diese Bohnen
gemahlen wurden, wird daraus der berühmte kolumbianische Kaffee gebrüht. Ich
konnte mich nicht überwinden, den Kaffee zu probieren, aber Alessandro
bestätigte, dass dieser sehr schmackhaft gewesen sei.
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die roten Früchte sind bereit zur Ernte |
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die Kaffeebohne verbirgt sich hiner der roten Schale |
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nach dem Waschen werden die Bohnen getrocknet |
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nach Entfernung der äusseren Schale kommt das Endprodukt zum Vorschein... |
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... das nach der Röstung das bekannte Aroma freigibt |
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Lehrtochter mit ihrem Meister beim Kaffee mahlen |
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und bereit steht der organische Kaffee |
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Don Elias macht Kaffee zum Genuss! |
Während der Degustation begann es
wieder einmal zu regnen, und wir schnappten uns den nächsten Pick-up in
Richtung Dorf, wo wir uns einen gemütlichen Nachmittag gönnten und am Abend
noch einmal gemeinsam Essen gingen.
Obwohl wir uns erst seit kurzem kannten, fiel die
Verabschiedung von Romina und Gastón am nächsten Morgen schwer, hatten wir doch
eine tolle Zeit zusammen verbracht und die beiden schon ins Herz geschlossen.
Sollte unsere nächste Reise durch Argentinien führen, hätten wir in Buenos
Aires jedenfalls bereits mehr als ein Zuhause.
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